Wenn es leuchtet

Sie ermöglicht 3D-Drucker und Laserskalpelle, sehende Maschinen und selbstfahrende Autos – wie die Photonik schon heute unsere Zukunft formt

Am 16. Mai 1960 beugen sich zwei junge Männer in ihrem Labor mit Blick auf den Pazifik über ihre neueste Entwicklung. Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit ist ein faustgroßer Zylinder aus Aluminium, aus dem ein paar Drähte ragen, im Inneren steckt ein kleines Stäbchen aus purem Rubin. Einer der beiden Techniker dreht den Spannungsregler nach oben. Bei genau 950 Volt ist es so weit. Aus der Öffnung dringt der erste Laserstrahl der Geschichte.

Der jahrelange Wettlauf um die Entwicklung des ersten Lasers – das Grundprinzip hatte Albert Einstein bereits 1916 beschrieben – war damit entschieden. Theodore Maiman, damals gerade mal 32 Jahre alt, hatte das Rennen gewonnen, trotz übermächtiger Konkurrenz und zweifelnden Geldgebern. Es war ein Meilenstein der angewandten Physik. Doch die Reaktionen der Öffentlichkeit waren bestenfalls gemischt: Das erste Fachjournal, bei dem er seine Erfindung einreichte, lehnte eine Publikation ab, währenddessen berichtete eine Lokalzeitung von der Erfindung eines „Science-Fiction-Todesstrahls“

In der ersten Zeit kamen Laser außerhalb universitärer Forschungslabore kaum zum Einsatz. Die frühen Anlagen hatten eine lächerlich geringe Leistung, sie waren wahnsinnig kompliziert und ihre Optiken gingen schnell kaputt. Der Laser sei „eine Lösung auf der Suche nach einem Problem“, sagte Maiman damals resigniert.

Das Licht dient als Werkzeug

Beinahe 60 Jahre später ist seine Erfindung nicht mehr aus dem Alltag der Menschen wegzudenken. Kaum eine technische Innovation hat in so kurzer Zeit so vielfältige Anwendungen gefunden wie der Laser und ein Ende der Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Entgegen der frühen Einschätzung seines Erfinders scheint es kaum ein Problem zu geben, zu dessen Lösung ein Laser nicht beitragen könnte: Laserlicht wird als Messsonde benutzt, als berührungsloser Abtaststift, als verschleißfreies Schneidwerkzeug, aber auch zum Verschweißen von Metallteilen oder als Übertragungs-vehikel für digitale Informationen.

„So gut wie alles, was wir über die Welt wissen, haben wir durch das Licht gelernt“, sagte der deutsche Quantenphysiker und Nobelpreisträger Theodor Hänsch einmal. Das klingt erst einmal leicht überhöht, schließlich zählt Licht zu den selbstverständlichsten ­Phänomenen auf der Welt. Es ermöglicht allen Lebewesen das Sehen und verleiht jedem Gegenstand Farbe. Doch wird seine Bedeutung erst spürbar, wenn es fehlt.

Bis weit in die Neuzeit hinein wusste die Wissenschaft nicht einmal, was Licht eigentlich ist. Erst die Quantenelektrodynamik liefert im frühen 20. Jahrhundert die Erklärung: Licht ist weder ein Teilchen noch eine elektromagnetische Welle, sondern besteht aus Lichtquanten, den Photonen. Die Wissenschaft, die sich mit ihrer Manipulation beschäftigt, nennt sich demnach Photonik. Sie entwickelt Geräte, die Licht aussenden, oder solche, die Licht erfassen, sei es als Laserskalpell oder als hochempfindliche Kamera. Die Klammer ist das Licht, das als Werkzeug dient. Im Zeitalter der Photonik benutzt der Mensch das Licht, um die Dinge nach seinem Willen zu gestalten.

Gurkenblüte, © Craig P. Burrows

Licht macht auch im Alltag verborgene Dinge sichtbar. Zum Beispiel bei Pflanzen. Was hier so verführerisch funkelt: die Blüte einer gewöhnlichen Gurkenpflanze, fotografiert unter UV-Licht.

Foto: Craig P. Burrows

Die Photonik ist eine sogenannte Key Enabling Technology, also eine Technologie, die für viele Industrien gleichermaßen bedeutsam ist und viele andere Innovationen überhaupt erst möglich oder marktfähig macht. Historische Beispiele für solche Schlüsseltechnologien gibt es etliche – und in den meisten Fällen sorgten sie für eine komplette Umwälzung der Gesellschaft. Sie veränderten die Art und Weise, wie die Menschen arbeiteten und lebten, sie brachten bis dahin unvorstellbare Produkte hervor. Technikhistoriker zählen dazu so grundsätzliche Kulturtechniken wie die Beherrschung des Feuers, den Buchdruck oder die Dampfmaschine. In jüngster Vergangenheit sind es beispielsweise die Informations- oder die Nanotechnologie. Und eben die Photonik. Das 21. Jahrhundert, meinen einige Experten, werde in einem Ausmaß auf den Entwicklungen dieser Schlüsseltechnologie basieren, wie es im 20. Jahrhundert für die Elektronik galt.

Harte Zahlen und Fakten aus den Bilanzen und Quartalsberichten der photonischen Industrie geben dieser Einschätzung Recht. Die Wachstumsraten sind seit Jahren überdurchschnittlich, die Erwartungen an die Zukunft durchweg positiv. Umsätze und Beschäftigungszahlen kennen anscheinend nur eine Richtung, und die zeigt nach oben. Die Innovationskraft ist enorm, teilweise investieren die Unternehmen zehn Prozent ihres Umsatzes in die Entwicklungsabteilungen.

Für die Branche gibt es große Zukunftsmärkte Jörg Mayer, Geschäftsführer

Unter der Überschrift „Europas Zeitalter des Lichts“ hat die Brancheninteressenvereinigung photonics21.org im Frühjahr 2019 ein Strategiepapier vorgelegt, das den Weg der Industrie bis Mitte der 2020er Jahre vorauszeichnet. Schon heute entfallen knapp 70 Milliarden Euro des globalen Branchenumsatzes in Höhe von 447 Milliarden Euro auf europäische Unternehmen. Mit den momentanen jährlichen Wachstumsraten von mehr als sechs Prozent sei es realistisch, dass die europäischen Unternehmen ihre Produktionsleistung bis zum Jahr 2030 auf über 200 Milliarden Euro verdreifachen könnten.

„Für die Branche gibt es große Zukunftsmärkte“, so Jörg Mayer, Geschäftsführer des Hightech-Industrie-Verbands Spectaris. „Zu nennen sind hier die Themen Industrie 4.0 sowie Smart Factories, wo sehr viel optische Sensorik, Bilderfassung und -verarbeitung benötigt werden. Auch die Automobilbranche wird mit Blick auf das autonome oder teilautonome Fahren eine große Rolle für die Photonikindustrie spielen.“ Die breite Nutzung der optischen Technologien gerät für die photonische Industrie zu einem Vorteil, weil sie so weitgehend unabhängig von wirtschaftlichen Zyklen in anderen Branchen ist.

Die Kraft des Lichts als PDF herunterladen

Trotz allem haben die optischen Technologien in der breiten Bevölkerung ein Imageproblem. Denn die meiste Zeit kann man ihre Arbeit nicht sehen. Das klingt zunächst paradox und mag das menschliche Vorstellungsvermögen leicht übersteigen. Schließlich glauben wir, dass alles, was „optisch“ im Namen trägt, auch zu sehen sein sollte. Die klassischen Geschäftsmodelle der Photonik spielten sich zudem bislang überwiegend im B2B-Umfeld ab.

Für den Endverbraucher ist das Wirken der Branche deshalb noch immer schwer zu greifen. Dabei begegnet er ihr im Alltag quasi ohne Unterlass. Zum Beispiel, wenn er im Supermarkt eine Energiesparlampe erstehen will. Damit geht er an die Kasse, an der der Strichcode mit einem Laserscanner erfasst wird. Bezahlt wird mit Karte, Glasfaserkabel übertragen die anfallenden Daten mit etwa zwei Dritteln der Lichtgeschwindigkeit zu den Servern der entsprechenden Bank.

Unser fiktiver Kunde verlässt den Laden, zückt sein Smartphone und ist einmal mehr fasziniert von der Brillanz des 4K-AMOLED-Bildschirms, auf dem Zehntausende Bildpunkte auf einer winzigen Fläche einzeln gesteuert werden. Ohne auf seine Umwelt zu achten, tritt er auf die Straße, wo ein Auto gerade noch rechtzeitig bremst, weil die hochentwickelte Kamera des Assistenzsystems den Fußgänger erkannt hat.

Diese banale Szene, die sich so oder so ähnlich jeden Tag Tausende Male abspielt, macht klar, dass so gut wie alle Annehmlichkeiten der Gegenwart mehr oder weniger direkt auf den Errungenschaften und Durchbrüchen der Photonikindustrie basieren.

Vom Smartphone bis hin zu Virtual-Reality-Brillen, vom Smart Home bis zur Heimrobotik – bei nahezu allen zentralen Trendthemen der Elektronik spielen photonische Technologien eine wegweisende Rolle. Sie dienen in zunehmendem Maß auch unmittelbar dem Verbraucher.

Um das wahre Potenzial der Photonik zu ermessen, muss man also einen weiten Rundgang durch die moderne Welt unternehmen (siehe Infografik), muss Unternehmen aus dem Mobilitätssektor vorstellen, darf weder das Gesundheitswesen noch die Luft- und Raumfahrt- oder die fertigende Industrie außer Acht lassen, selbst ein Abstecher in die Landwirtschaft schadet nicht.

Zierbirne, © Craig P. Burrows

Der US-amerikanische Fotograf Craig Burrows widmet sich in dieser Serie der sogenannten UV-induzierten Fluoreszenz. Hier zu sehen: Blüten der Bradford-Birne. Sie riechen ausgesprochen unangenehm.

Foto: Craig P. Burrows

Ähnlich divers wie die Anwendungsgebiete sind auch die Akteure der Branche. Vom typischen deutschen Mittelständler, der als Hidden Champion in seiner Nische den Weltmarkt dominiert, bis hin zum globalen Megakonzern mit Milliardenumsatz ist alles vorhanden. Zu ersterer Kategorie zählt die schwäbische Trumpf Gruppe. Lange Zeit war das Unternehmen ein zwar sehr wirtschaftlicher, aber auch konventioneller Hersteller von Werkzeugmaschinen vor allem zur Blechbearbeitung.

In den 1980er Jahren stellte Trumpf dann den ersten selbst entwickelten Laser vor – es war der Startpunkt für eine unerhörte Erfolgsgeschichte. Heute zählt das Unternehmen zu den Markt- und Technologieführern in Sachen Laser. Kurz: Hier werden die Geräte gebaut, mit denen anderswo wiederum Geräte überhaupt erst gefertigt werden. Das Highlight in Trumpfs Produktportfolio sieht dabei auf den ersten Blick eher unscheinbar aus. Die Truprint 5000 ist ein großer grauer Kasten mit zwei kleinen Fenstern, die einen Blick ins Innere erlauben, dazu noch ein großer Monitor, der zur Steuerung dient. Im Inneren spielt sich dann ab, was für den Photoniker die logische Anwendung seiner Zunft ist und dem Laien wie Magie erscheint. Drei Laserstrahlen tanzen über eine dunkelgraue Oberfläche. Funken blitzen auf. Wie aus dem Nichts entsteht das Werkstück.

Das konzentrierte Licht schmilzt Metall schichtweise zu einem beinahe beliebigen dreidimensionalen Objekt, es formt Stahl, aber auch Aluminium, Titan und verschiedene Legierungen. Die Metalle liegen in hochreiner Pulverform vor. Ein starker Laser schmilzt das Pulver exakt an jenen Stellen auf, die ihm die CAD-Daten vorgeben, und verbindet es mit der Schicht darunter. So wird das Bauteil additiv Schritt für Schritt aufgebaut, die einzelnen Schichten sind teilweise nicht dicker als wenige Mikrometer. Das überschüssige, nicht benötigte Pulver kann später einfach abgesaugt und wiederverwendet werden.

Die Produktion wird effizienter, flexibler und präziser.

Selektives Laserschmelzen nennt sich dieses Verfahren, das häufig auch als metallischer 3D-Druck bezeichnet wird. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen forscht man bei Trumpf bereits seit 1999 an der Technologie. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden wie etwa der Gussfertigung oder der Fräse weist sie gleich mehrere Vorteile auf: Im Schichtbauverfahren gibt es keinen Materialabrieb, sondern es wird nur das Material benutzt, das für das Bauteil nötig ist. Zudem müssen vorab auch keine Formen hergestellt werden. Die Produktion wird dadurch effizienter und flexibler. Additive Manufacturing erobert eine Branche nach der anderen, es lässt individuelle Zahnkronen entstehen, baut orthopädische Implantate, industrielle Werkzeuge oder komplexe, leichte Automobilbauteile. Mit einem neuen grünen Laser lassen sich auch Edelmetalle wie Gold oder Kupfer bearbeiten und Schmuckstücke drucken.

Wurde das Laserschmelzen bis vor kurzer Zeit vor allem für die Herstellung von Prototypen benutzt, lässt sich das Verfahren heute auch für die Serienproduktion einsetzen. „3D-Drucker etablieren sich in der Industrie im selben Maß wie die heutigen Papierdrucker in privaten Haushalten“, sagt Frank Peter Wüst, bei Trumpf Leiter Materials, Applika­tion und Consulting.

Bis 2030 will das Unternehmen eine halbe Milliarde Euro Umsatz in diesem Segment machen. Es erlaubt komplexere und leichtere Strukturen, die trotzdem enorm stabil sind, und eignet sich deshalb besonders für den Einsatz in der Luftfahrt, etwa für den Bau von Triebwerksschaufeln. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Technavio wird der Einsatz von additiven Produktionsverfahren in den nächsten Jahren um mehr als ein Viertel jährlich wachsen. „Photonik ist disruptiv“, fasst Peter Leibinger, Trumpf-CTO, zusammen.

3D-Drucker etablieren sich in der Industrie im selben Maß wie die heutigen Papierdrucker in privaten Haushalten. Frank Peter Wüst, Leiter Materials, Applikation und Consulting, Trumpf

Auch in anderen Branchen lässt sich die disruptive Kraft der Photonik beobachten. Ein modernes Auto etwa wäre ohne ihre Innovationen kaum vorstellbar – und setzt Hersteller und ihre Geschäftsmodelle unter Druck. Lenkbare Laser-Scheinwerfer mit mehreren hundert Metern Reichweite, die sich der Fahrbahnrichtung anpassen und bei Gegenverkehr automatisch abblenden, oder auf die Frontschutzscheibe projizierte Informationen zu Route und Verkehrslage sind da noch die leichteste Übung.

Um ihre Vision des autonomen Fahrens zu realisieren, benötigt die Autoindustrie Technologien, die extrem schnell, über weite Distanzen und unter widrigen äußeren Bedingungen Informationen über die Umgebung erfassen können. Neben leistungsfähigen Stereokameras, die dem Auto sozusagen räumliches Sehen erlauben, wird das sogenannte Lidar (Light Detection And Ranging) eines der wichtigsten Sinnesorgane eines zukünftigen selbstfahrenden Autos sein. Das Lidar-System sendet ähnlich wie beim Radar Laserimpulse aus und misst anhand der Spektralfarben des von der Umgebung reflektierten Lichts die Geschwindigkeit und Distanz anderer Verkehrsteilnehmer. Bis zu 25-mal pro Sekunde liefert der Laserscanner so ein detailgetreues Abbild des Umfelds. Diese Informationen werden dann vom Bordcomputer in die entsprechenden Steuerbefehle umgewandelt.

Bislang arbeiten Lidar-Systeme mit einem rotierenden Spiegel, der die Laserstrahlen ablenkt und so das Sichtfeld ausleuchtet. Das machte sie nicht nur vergleichsweise teuer, sondern auch störanfällig. Neuere Versionen setzen auf sogenannte Liquid Crystal Metasurfaces und kommen ohne mechanisch bewegte Teile aus. So soll das System zuverlässiger arbeiten und im Vergleich zum Wettbewerb eine längere Lebensdauer bieten. „Dank der Tatsache, dass es sich im Grunde nur um einen Chip handelt, wird das System auch viel kostengünstiger“, erklärt Luc Van den Hove, Leiter des Forschungsinstituts Imec, an dem eine ähnliche Technologie entwickelt wird. „Die entscheidende Voraussetzung, um Lidar in alle Autos zu bringen.“

Amaryllis, © Craig P. Burrows

Die Amaryllis ist auch im Spektrum des sichtbaren Lichts hübsch anzusehen – und deshalb eine beliebte Zierblume. Allerdings sieht man ihre Blütenblätter normalerweise rot schimmern.

Foto: Craig P. Burrows

Mit Lasern lässt sich jedoch nicht nur leblose Materie manipulieren. In der sogenannten Biophotonik werden optische Technologien sowohl bei der Diagnose als auch zur Therapie von Krankheiten eingesetzt. Schon der eingangs erwähnte Laser-Erfinder Theodore Maiman ahnte, dass die Technologie einmal in der Medizin eingesetzt werden könnte. Er selbst experimentierte mit Ratten. Womöglich könnte man das Laserlicht sogar „auf eine einzige Blutzelle konzentrieren“. Doch bis es so weit sei, sei „noch ein weiter Weg zu gehen“, so Maiman damals.

Es ging dann doch schneller als erwartet. Schon zehn Jahre später arbeitete der Experimentalphysiker Arthur Ashkin an der optischen Pinzette. Viren, Bakterien und andere lebende Zellen können damit durch Laserlicht fixiert oder bewegt werden, ohne sie zu zerstören. In den 1980er Jahren entwickelten Donna Strickland und Gérard Mourou die Chirped-Pulse-Amplification-Technik, mit der sich ultrakurze Laserpulse bei gleichzeitig extrem hoher Leistung erzeugen lassen. Millionen von kurzsichtigen Menschen profitierten von diesem Durchbruch in Form der sogenannten LASIK-Methode, bei der mit einem Laserskalpell Unebenheiten auf der Hornhaut des Auges beseitigt werden. Für ihre Arbeit bekamen die drei Laserforscher im vergangenen Jahr den Physik-Nobelpreis.

Egal, ob in der Arztpraxis oder in der Fabrik – die Computersysteme, die die moderne Welt am Laufen halten, benötigen möglichst genaue Informationen über diese Welt. Photonische Systeme liefern die nötigen Augen und Sinnesorgane. Ihre Sensoren bilden das Fundament aller Anwendungen.

Stemmer Imaging gehört zu den Marktführern in dem Segment. Der Bildverarbeitungsspezialist aus dem Münchner Umland hat erst im letzten Jahr einen Börsengang erfolgreich absolviert. Peter Keppler ist dort Director Corporate Sales. Er sagt: „Automatisierer müssen sich aus meiner Sicht auf jeden Fall vermehrt mit dem Thema Bildverarbeitung beschäftigen, da sie die Anforderungen von Industrie 4.0 ohne diese Technologie in vielen Fällen zukünftig nicht mehr erfüllen können.“

Persischer Seidenbaum, © Craig P. Burrows

Seine Aufnahmen belichtet Fotograf Burrows bis zu 20 Sekunden lang – und hält dabei den Atem an. Der kleinste Lufthauch würde bereits Unschärfe erzeugen.

Foto: Craig P. Burrows

In den smarten Fabriken der Zukunft müssen Hunderte oder Tausende Bauteile auf Abweichungen im Mikrometerbereich untersucht werden, Fließbänder bewegen sich mit 30 Metern pro Sekunde oder mehr – hier ist das bloße menschliche Auge schon längst nicht mehr das Maß der Dinge. Die in der industriellen Bildverarbeitung eingesetzten Kameras haben aber nur bedingt mit den Geräten zu tun, mit denen der Endverbraucher seine schönsten Urlaubserlebnisse filmt.

Ansätze wie etwa die Hyperspektrale Bildgebung erlauben es, über die Analyse der Lichtabsorbation eines Materials dessen chemische Zusammensetzung zu bestimmen – und das, ohne die Probe dabei zu zerstören. So können Produkte, etwa leicht verderbliche Lebensmittel, auch in ihrer Verpackung analysiert werden. Andere Branchen profitieren ebenfalls von der berührungslosen Prüfung. Zum Beispiel die pharmazeutische Industrie. Statt nur schlicht Stichproben zur Qualitätssicherung zu nehmen, kann eine hundertprozentige Inspektion im laufenden Betrieb gewährleistet werden.

Entscheidend für die exakte Vermessung und Analyse ist aber nicht nur die Hardware, sondern auch die entsprechende Software. Die Bilder müssen schließlich sowohl aufgenommen als auch verarbeitet werden. Die in den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte im Bereich maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz führen dazu, dass schon bei geringsten Qualitätsabweichungen gezielt gegengesteuert werden kann, damit daraus erst gar keine Produktionsfehler entstehen. „Durch die Begeisterung, die sich in letzter Zeit um den Begriff Deep Learning gebildet hat, ist der Einsatz dieser Technologie für die Bildverarbeitung nun auf breiter Basis populär geworden“, so Peter Keppler.

Die Modernisierung von Beleuchtung ist ein entscheidender Schlüssel zur Reduktion des weltweiten Energieverbrauchs. Karsten Vierke, CEO DACH Signify

So durchziehen die Wirkmechanismen der Photonik die gesamte industrielle Wertschöpfungskette. Der naheliegendste Aspekt der optischen Technologien ist zumindest auf den ersten Blick auch der spektakulärste. Riesige blickwinkelstabile Displays beleuchten die Innenstädte der Welt, Lichtkünstler malen mit Laserstrahlen holografische Traumlandschaften aus leuchtenden Partikeln in die Luft. Mit LEDs bestückte Mini-Drohnen werden zu elektrischen Glühwürmchen und in zu urbanen Farmen umgebauten Fabriken lassen spezielle UV-Dioden Gemüse sprießen wie das sprichwörtliche Unkraut. Durch die zielgenaue Beleuchtung können die Betreiber sogar Geschmack und Nährstoffgehalt der Pflanzen steuern.

Und da wäre natürlich auch noch die wesentliche Eigenschaft von Licht: Es ist hell. Auch die Leuchtdioden haben einen dramatischen Wandel in Sachen Effizienz und Leistung hinter sich. Dabei war man sich vor wenigen Jahren noch nicht einmal sicher, ob eine Leuchtdiode jemals die Helligkeit einer Glühbirne erreichen könnte. Heutzutage entfallen beinahe 20 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs auf Beleuchtungssysteme aller Art. LEDs und andere effiziente und zeitgemäße Lichttechnologien bergen deshalb ein enormes Potenzial: Laut einer Studie des US-Energieministeriums würde die globale Umstellung auf LED-Beleuchtung 800 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht dem Ausstoß von beinahe 700 Kohlekraftwerken, den man einsparen könnte. Pro Jahr. „Die Modernisierung von Beleuchtung ist ein entscheidender Schlüssel zur Reduktion des weltweiten Energieverbrauchs“, sagt Karsten Vierke, CEO DACH des Leuchtmittelherstellers Signify.

Wer sich mit Photonik beschäftigt, für den findet die Zukunft also immer auch ein bisschen in der Gegenwart statt. Ganz wie es einer Schlüsseltechnologie zusteht, sorgt die Photonik momentan in der schwächelnden Halbleiterindustrie für neuen Schwung. Ein Mittel ist die sogenannte EUV-Lithografie, bei der Halbleiter mit extrem ultravioletten Strahlen belichtet werden, was kleinere und effizientere Schaltkreise ermöglicht.

Eine Branche mit ungeahnten Möglichkeiten

Computerchips werden so noch leistungsfähiger. Die Laser arbeiten mit einer sehr kurzen Wellenlänge von 13,5 Nanometern und zeichnen so ultrakomplexe Strukturen auf die Siliziumscheiben. Noch in diesem Jahr werden die ersten Chips mit dieser Technik ausgeliefert. Sie sorgen dafür, dass das berühmte Moore’sche Gesetz noch ein paar Jahre lang gelten wird. Sollte die Ära siliziumbasierter Computer aber doch an ihr Ende kommen, werden es wohl Laser sein, die in sogenannten Quantencomputern einzelne Atome manipulieren.

Wie wird sich die Photonik entwickeln? „Das ist so, als hätte man im 18. Jahrhundert gefragt, wie sich die Elektrizität entwickeln werde. Niemand hätte es beantworten können“, sagt Reinhart Poprawe, Leiter des Fraunhofer ILT. Sicher ist, dass die Branche noch immer über ungeahnte Möglichkeiten verfügt. Selbst Albert Einstein wusste, dass noch nicht alle Geheimnisse des Lichts gelüftet sind. „Die ganzen 50 Jahre bewusster Grübelei haben mich der Antwort der Frage ‚Was sind Lichtquanten‘ nicht näher gebracht“, schrieb der Physiker einst. „Heute glaubt zwar jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich …“

Von Michael Moorstedt. Der Artikel erschien erstmalig im Messe München Magazin 01/2019.

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